Massenabmahner und ihre Machenschaften: Interview mit Rechtsanwalt Markus Kompa

Es gibt sie: Menschen, die ihr Geld mit Abmahnungen verdienen. Vor allem mit Bildrechtsverletzungen wird ordentlich Kasse gemacht. Doch gerade bei Abmahnungen von „Fotograf:innen“ lohnt sich Widerstand. Wir haben mit Rechtsanwalt Markus Kompa gesprochen, der auf diesem Gebiet schon viele Erfolge für seine Mandanten und Mandantinnen erzielen konnte. Er berichtet uns von einem bekannten Massenabmahner und wie er gegen diesen vorgeht…

exali: Herr Rechtsanwalt Kompa, Sie berichten auf Ihrer Website über den Fotografen Christoph Scholz, einen Massenabmahner im Bereich Creative Commons. Können Sie uns ein bisschen über die „Machenschaften“ dieses Herrn berichten. Warum mahnt er ab und wie geht er vor?

Rechtsanwalt Markus Kompa: Zunächst bestreite ich, dass Herr Scholz beruflich ein Fotograf wäre, tatsächlich ist er CGI-Designer (Anm. d. Red.: CGI = Computer Generated Imaging), meiner Meinung nach sogar ein sehr talentierter. Mit Fotos jedoch verdient er wohl nur mit seiner Abmahnmasche Geld.

Er verbreitet meist auf Flickr Bilder, die sich zur Illustration von allen möglichen Themen eignen und daher über die Google-Bildersuche gefunden werden. Diese stehen unter einer Creative Commons-Lizenz, welche die kostenlose Nutzung erlaubt, wenn Autor, Werk und Lizenz genannt und Werk und Lizenz verlinkt werden. Durch die komplizierten wie unübersichtlichen Bedingungen sind entsprechende Fehler vorprogrammiert. Wer einen Fehler macht, bekommt plötzlich eine Forderung wegen eines vorgeblichen Lizenzschadens präsentiert, und zwar im Rahmen einer angeblich kostenpflichtigen anwaltlichen Abmahnung.

Sie berichten, dass Sie für Ihre Mandanten und Mandantinnen, die von Christoph Scholz abgemahnt wurden, negative Feststellungsklagen erhoben haben. Was heisst das genau und welche Möglichkeiten gibt es noch, gegen Abmahnungen vorzugehen?

Wenn jemand unberechtigt Ansprüche wie hier die Lizenzzahlungen einfordert, kann man den Spiess umdrehen und auf Feststellung klagen, dass solche Ansprüche unberechtigt sind. Bei Abmahnern, die nur bluffen und nie oder nur selten vor Gericht gehen, kann so die künstlich produzierte Rechtsunsicherheit beseitigt werden.

Da entgegen der Lizenzforderungen die Unterlassungsansprüche allerdings prinzipiell berechtigt sind, sollte insoweit vorbeugend eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben werden, um vermeidbare Gerichtskosten auszuschliessen.

Man bekommt ausserdem die Kosten für die vorgerichtliche Abmahnabwehr zurückerstattet, weil die Abmahnungen häufig unwirksam oder unberechtigt sind.

Die Creative Commons Abmahnmasche

Die Masche, die Christoph Scholz anwendet und über die Rechtsanwalt Kompa uns berichtet, ist nicht neu. Wie gehen die Massenabmahner vor? Sie laden Fotos auf Flickr oder andere Plattformen hoch und stellen diese unter der Creative-Commons-Lizenz zur Verfügung. Meistens sind dies Motive, die als Symbolbilder verwendet werden können und unter beliebten Schlagworten von Suchmaschinen gefunden werden. Wird das Bild dann verwendet, überprüfen die Urheber:innen, ob die Creative Commons Lizenzangaben richtig gemacht wurden. Wenn nicht, dann verschicken Sie Abmahnungen mit überzogenen Forderungen. Informieren Sie sich daher immer über die jeweiligen Bedingungen der CC-Lizenzen und nennen Sie Urheber:in, Titel und ggf. die Lizenz mit Verlinkung.

Herr Scholz und auch andere Abmahner müssen nun zunehmend Niederlagen vor Gericht einstecken. Sie berichten zum Beispiel von Urteilen des Amtsgerichts Hamburg, das Herrn Scholz Schadenersatzansprüche verweigert hat, weil er keinen Einnahmeverlust nachweisen konnte. Was heisst das genau und wie haben die Richter:innen ihr Urteil begründet? Was bedeuten die Urteile eventuell für weitere Fälle?

Bei Werken, die unter kostenlosen Creative Commons-Lizenzen stehen, sehe ich prinzipiell keinen Vermögensschaden, nur weil mal eine Benennung oder Verlinkung fehlt. Wer etwas als kostenlos anbietet, dann aber entgangenen Gewinn usw. behauptet, handelt ohnehin widersprüchlich, Profis lizenzieren nicht umsonst.

Die Gerichte stellen darauf ab, ob der Abmahner nachweisen kann, dass er tatsächlich Umsätze in dieser Branche erzielt, bemessen aber selbst in diesem Fall die Höhe solcher Forderungen bei kostenlosen Creative Commons-Lizenzen deutlich geringer.

Gibt es ausser Christoph Scholz noch weitere Fotografen, die als Massenabmahner bekannt sind und bei deren Abmahnungen man daher besonders hellhörig werden sollte?

Die meisten dieser „Fotografen und Fotografinnen“ mahnen nicht über eine Anwaltschaft ab, sondern verschicken ihre Forderungen („Rechnungen“) zunächst selbst. Vor allem Marco Verch, Thomas Wolf („Photomedia“) und Dirk Vorderstraße sind hier zu nennen. Besonders unverschämt sind jedoch die Abmahnungen von Magister Kurt Kulac aus Österreich, der nicht nur Ralf Roletschek vertritt, sondern auch Personen, die in Wirklichkeit in Deutschland wohnen. Keine dieser Anspruchsteller konnte mir vor Gericht nachweisen, dass er auf konventionelle Weise mit Fotos Geld verdient.

Vor Kurzem ist das Gesetz gegen Abmahnmissbrauch (Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs) in Kraft getreten. Wie bewerten Sie das Gesetz bzw. glauben Sie, dass damit das Geschäft mit massenhaften Abmahnungen eingedämmt werden kann?

Dieses Gesetz betrifft nur Abmahnungen im Unlauteren Wettbewerb, nicht solche im Urheberrecht. Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs wurde leider völlig inkompetent gestaltet und ist sogar kontraproduktiv, weil es redliche Rechtsverfolgung erschwert. Warum der Gesetzgeber ausgerechnet die Fachwelt ignorierte, versteht niemand so recht.

Was raten Sie jemandem, der eine Abmahnung wegen Bildrechtsverstössen erhält. Wie sollte man reagieren bzw. was sollte man auf keinen Fall tun?

Man sollte eine brauchbare Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben, da meistens ein berechtigter Unterlassungsanspruch besteht, der relativ hohe Kosten auslösen kann. Dann sollte man aber auch die Bilddatei löschen und nicht nur ein Bild „von der Homepage entfernen“, da andernfalls eine Vertragsstrafe ausgelöst werden kann. Zahlen sollte man in keinem Fall.

Statt do-it-yourself-Rechtsberatung sollte man erfahrene Anwälte und Anwältinnen befassen, von denen viele sogar eine kostenlose Erstberatung anbieten. Auf keinen Fall sollte man eine solche Vertragsstrafe unbesehen bezahlen, denn solche Forderungen sind fast immer aus juristischen Gründen unberechtigt. Derzeit verklage ich Herrn Scholz auf Rückzahlung einer solchen Vertragsstrafe, soweit sollte man es jedoch nicht kommen lassen.

 

Über unseren Interviewpartner:

 

(© Intuitive Fotografie / Philippe Ramakers)

Markus Kompa ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und politischer Schriftsteller. Seine Mandate im Parteienrecht sowie im Umfeld von Geheimdiensten inspirierten ihn zu Politthrillern.