Wie gewollt „kreative“ Ideen Ihre Marketing-Kampagne ruinieren können
Kreative Ideen, die nach hinten losgingen: Versehen oder Kalkül?
Fakt ist: Auch verunglückte Werbung bringt Aufmerksamkeit, Geld und Reichweite. Gerade unterirdisch schlechte Kampagnen werden besonders gerne in den sozialen Medien verbreitet. Im Wettkampf um die begrenzte Aufmerksamkeit potenzieller Käufer:innen nehmen viele Unternehmen einen Shitstorm sogar billigend in Kauf.
Doch ob geplant oder versehentlich: Hat Ihr Content den Bogen einmal überspannt, steht es Ihrer Zielgruppe frei, ganz einfach zur Konkurrenz zu wechseln – bedenken Sie das, bevor Sie sich mit gewollt hipper, lustiger oder provokativer Werbung eventuell ins Abseits schiessen. Nur wenige Marken besitzen die Freiheit, ihre Kampagnen ohne Rücksicht auf Verluste zu gestalten, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Ein wunderbares Beispiel für solch eine Monopolstellung ist die Berliner Verkehrsgesellschaft. Mit jeder Menge Humor, Selbstironie und der typischen Berliner Schnauze legten die Marketingverantwortlichen 2015 den Grundstein für ein frisches, authentisches Image – da verzeiht die Zielgruppe sogar die eine oder andere Verspätung im öffentlichen Nahverkehr.
Wann ist provokativer Content sinnvoll?
Betreiben Sie Marketing für ein Angebot, das der Zielgruppe etablierte Werte vermitteln will, sollten Sie in kreativer Hinsicht besser keine allzu grossen Kapriolen schlagen. Meist geht es im Marketing ohnehin nicht darum, ständig das Rad neu zu erfinden, sondern es kommt auf eine gelungene Umsetzung bewährter Kenntnisse an.
Will Ihre Werbung dagegen etwas an die Frau beziehungsweise den Mann bringen, das hinsichtlich geltender Standards aus dem Rahmen fällt, kann Ihnen Content abseits der üblichen Pfade, durchaus in die Karten spielen. Aufgrund der Beschaffenheit des Produkts oder der Dienstleistung ist die Akzeptanz der Kundschaft für provokantere Inhalte ohnehin erhöht. Dennoch gilt natürlich: Ein Restrisiko bleibt bestehen: Gerade wenn Sie beim Marketing ausgetretene Pfade verlassen wollen, benötigen Sie viel Fingerspitzengefühl, damit der Spagat zwischen ungewöhnlichen Inhalten und bewährter Content Strategie gelingt.
Marketingfehltritte zum (Fremd)Schämen und Lernen
Die Marketingteams grosser Firmen sprudeln nur so vor tollen Ideen? Das stimmt nur zum Teil. Und längst nicht jede Kampagne, die den Segen der Unternehmensführung erhält, sollte auch auf das Publikum losgelassen werden. Einen eindrücklichen Beweis dafür trat die CDU mit etlichen Online-Marketing-Fehltritten an, die exali-Gründer Ralph Günther in seinem Blog bereits eingehend betrachtet hat. Und auch die jüngste Zeit lieferte einige prominente Beispiele…
Fail #1: Mit dem neuen Golf zurück in die Kolonialzeit
Zumindest über mangelnde Resonanz konnte VW sich nach Veröffentlichung seines Instagram-Werbevideos nicht beklagen. Im Clip schubst eine weisse Hand einen Schwarzen fröhlich umher bis dieser schliesslich in ein Geschäft namens „Petit Colon“ geschnipst wird. Dieser Name ist immerhin ein passender Zusatz zum ohnehin rassistischen Inhalt – frei übersetzt trägt der Laden damit nämlich den deutschen Titel „Kleiner Kolonist“. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen erscheint als grosses Finale der Slogan „Der neue Golf“ – die ersten der nacheinander eingeblendeten Buchstaben ergeben das N-Wort.
Der Konzern gab sich betont überrascht über den allgemeinen Unmut und schanzte den Fehler dem Publikum zu, das den Spot schlicht „nicht verstanden hat“. Erst später gestand das Unternehmen seinen Fehltritt ein und entfernte das Video aus seinem Kanal.
Fail #2: Polizei, dein Freund und Helfer?
Der Schuss ging nach hinten los: Mit einer betont provokanten Kampagne wollte die Hamburger Polizei die Bürger:innen der Stadt dazu animieren, bei potenziell illegalen Aktivitäten genau hinzusehen und im Zweifelsfall die Ordnungshüter:innen zu rufen. Slogans wie „Insulin oder Heroin?“ kombiniert mit dem Bild einer Person mit Spritze auf einer Parkbank stiessen bei den Hamburgern und Hamburgerinnen jedoch auf wenig Gegenliebe. Auch das Konterfei einer Frau mit Hämatomen an Gesicht und Arm, unterlegt mit dem Satz „Pech oder Peter?“ zeugt nicht gerade von Taktgefühl. Vertrauensbildung geht anders. Nachdem die Kritik nicht abreissen wollte, hat die Polizei ihre Plakatmotive inzwischen zurückgezogen.
Fail #3: Vorsicht bei user-generated Content
Wenn ein Unternehmen Influencer:innen zurate zieht, sollten die Verantwortlichen vor allem auf die passende Inszenierung achten. Kommunizieren Sie klare Do’s und Dont’s – denn bei user-generated Content geben Sie die inhaltliche Kontrolle komplett ab. Analysieren Sie bereits im Vorfeld, ob das Image Ihrer Firma für diese Spielart des Marketings überhaupt geeignet ist. Was alles schief gehen kann, wenn man diesen Punkt nicht berücksichtigt, zeigen Kampagnen wie #myNYPD. Unter diesem Hashtag wollte die Polizei der Stadt New York Menschen dazu ermuntern, Eindrücke von und mit den Gesetzeshütern zu posten. Stattdessen verbreiteten die User:innen unter #myNYPD Bilder brutaler Polizeigewalt im Netz.
Fail #4: Doppeldeutigkeit und Starrsinn
Auch abseits davon schadet es nicht, Ihre Content Ideen auf bestimmte Aspekte hin zu untersuchen. Analysieren Sie Ihre Inhalte zum Beispiel stets auf mögliche Doppeldeutigkeiten. Dove wurde dieser Fallstrick bei einer Werbekampagne zum Verhängnis. Im Clip zieht eine dunkelhäutige Frau sich ein braunes T-Shirt über den Kopf. Darunter erscheint eine weisse Frau in weissem Oberteil. Nach der Veröffentlichung des Clips musste Dove sich daher mit harschen Rassismus-Beschuldigungen auseinandersetzen.
Die Kampagne floating world von Airbnb illustriert ausserdem hervorragend, wie wichtig es ist, für möglichst viele Eventualitäten gewappnet und im schlimmsten Fall auch mutig genug zu sein, die eigenen Pläne zu ändern. Die E-Mail-Marketingmassnahme drehte sich um besonders schöne Unterkünfte auf dem Wasser. Kurz vor Kampagnenstart fegte jedoch Hurrikan Harvey über die USA und hinterliess eine Schneise der Verwüstung. Airbnb blieb seinen Plänen jedoch treu und ging mit der Kampagne an den Start – zum grossen Entsetzen seiner Newsletter-Abonnenten und -Abonnentinnen.
Kein Platz für Schwurbler:innen: Kaufland zeigt, wie es geht
Bei aller Kritik darf auch ein Positivbeispiel für gelungenes Content-Marketing nicht fehlen: Kaufland warb in einem Spot mit dem Schlagersänger Michael Wendler. Zur Freude aller Beteiligten ging der Clip viral. Leider verbreitete der Sänger parallel zu dieser erfreulichen Entwicklung Verschwörungstheorien im Netz. Die Supermarktkette reagierte jedoch prompt, indem sie sich via Tweet von den Aussagen des Sängers distanzierte. Der Content der Kampagne wurde auf der Stelle gelöscht.
Die schnelle, klare Reaktion brachte Kauflands PR-Team eine Menge positives Feedback ein. Das Beziehen einer eindeutigen Position, kurze Entscheidungswege und das Vertreten klarer Werte haben hier ein Marketing-Debakel verhindert.
Content ist King – im Rahmen des Gesetzes
Mittlerweile existieren viele verschiedene Content Marketing Formate, die Leser:innen informieren oder unterhalten. Da bietet es sich natürlich an, ganz „nebenbei“ noch weitere Informationen, wie den Namen Ihrer Firma mitzuliefern, oder? So einfach macht es Ihnen die Gesetzgebung natürlich nicht. Stattdessen sollten Sie sich bei der rechtlichen Bewertung Ihrer Marketingmassnahmen vor allem auf diese rechtlichen Grundlagen stützen:
- das Mediengesetz
- das E-Commerce-Gesetz (ECG)
Problem #1: Schleichwerbung
Das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen schreibt in Artikel 9 eine eindeutige Trennung zwischen werbenden und redaktionellen Inhalten vor:
„Werbung muss vom redaktionellen Teil des Programms deutlich getrennt und als solche eindeutig erkennbar sein. Der Bundesrat kann diejenigen Formen der Werbung, welche die Trennung oder die Erkennbarkeit gefährden, untersagen oder besonderen Bestimmungen unterwerfen.“
Ein Fall von Schleichwerbung liegt also vor, wenn Sie die werbende Intention einer Marketingmassnahme verschleiern. Denn Ihre potenzielle Kundschaft könnte Ihren werblichen Content dann sehr schnell mit einer Sachinformation verwechseln – sie wird also hinsichtlich Ihrer Absicht (Verkäufe zu generieren) getäuscht.
Im Tagesgeschäft gestaltet sich die Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten von Fall zu Fall natürlich schwierig. Immer wieder werden Beiträge fälschlicherweise als Schleichwerbung eingestuft. Analysieren Sie die Risiken Ihrer Inhalte daher bereits im Vorfeld eingehend.
Problem #2: Urheber- und Persönlichkeitsrechte
Ein Vorteil, der beim Einsatz eigener Plattformen nicht von der Hand zu weisen ist, ist die Hoheit über die dort verbreiteten Inhalte. Doch auch hier greifen Urheber- und Persönlichkeitsrechte, wenn Sie zum Beispiel Bilder verwenden, die Sie nicht selbst aufgenommen haben. Fragen Sie sich in jedem Fall, wessen Einverständnis Sie zur Nutzung fremder Inhalte benötigen und klären Sie zusätzlich folgende Punkte:
- Wer hat den Content erstellt?
- Wer ist darauf abgebildet?
- Was kostet die Nutzung?
Problem #3: Haftung für fremde Inhalte
Social-Media-Plattformen stellen hinsichtlich der Frage, wie auf ihnen geworben werden darf, ohnehin eigene Regeln auf. Sämtliche Inhalte müssen den Community-, Werbe- und technischen Richtlinien vereinbar sein. Hier lohnt ein prüfender Blick, bevor Sie Ihre Inhalte auf Instagram, Facebook und Co. verbreiten.
Guter Content ist harte Arbeit - eine gute Absicherung war nie einfacher
Der Druck, eine kreative Marketingidee nach der anderen zu produzieren, ist heute grösser denn je. Im Eifer, die Konkurrenz auszustechen, schiessen Viele nicht nur inhaltlich übers Ziel hinaus, sondern lassen versehentlich auch rechtliche Vorgaben wie Urheberrechte oder die Werbekennzeichnung ausser Acht. Diese Verstösse ziehen teure Abmahnungen nach sich, die die Firmenkasse gewaltig strapazieren können. Hier springt für Agenturen und Selbständige im Medienbereich die Media-Haftpflicht über exali ein: Der Versicherer prüft, inwieweit zum Beispiel Ansprüche aus Abmahnungen berechtigt sind und begleicht die Forderungen. So sind Sie rundum abgesichert – und können in Ruhe an Ihrer nächsten Content-Idee feilen.
Hier können Sie Ihre Media-Haftpflicht in wenigen Schritten berechnen: